In Thüringen und Sachsen wurde am Sonntag gewählt, und anders als bei vielen Wahlen zuvor bestätigen die Ergebnisse diesmal die vorherigen Umfragen. Immerhin gab es in beiden ostdeutschen Bundesländern eine relative hohe Wahlbeteiligung von fast 75 Prozent, die ein wenig der allgemeinen Politikverdrossenheit widerspricht.
Die relativ hohe Wahlbeteiligung ist auch die Grundlage dafür, dass die jeweiligen Stimmengewinne und -verluste nicht nur relativ sind, sondern sich ebenso in absoluten Zahlen zeigen. Das gilt insbesondere für die Alternative für Deutschland (AfD) und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Die Wahlergebnisse sind inzwischen bekannt: In Thüringen erhielt die AfD die meisten Stimmen, während sie in Sachsen knapp auf Platz 2 landete. Jeweils danach beziehungsweise davor liegt die CDU, während das BSW jeweils den dritten Platz erreichte.
Alle anderen Parteien, die in Bund und Land regieren und regierten, erhielten eine deutliche Quittung für ihre Politik. Wenn sie weiterhin in den beiden Landtagen vertreten sind, dann nur noch in Kleinbesetzungen, so dass sie dort nur eine geringe Rolle spielen.
Doch vor allem die Vertreter von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene wollen und können anscheinend nicht verstehen, dass sie selbst verantwortlich sind für die Wahlergebnisse. Mit ihrer Politik gegen die Interessen der Bürger und des Landes, von der Wirtschafts- über die Sozial- und Migrationspolitik bis hin zur Kriegstreiberei samt selbstzerstörerischer Sanktionspolitik haben sie dafür gesorgt, dass sich immer mehr Menschen von ihnen abwenden.
Scholz disqualifiziert sich selbst
Dass die Ampel-Regierungsdarsteller nichts begriffen haben, zeigt sich unter anderem daran, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) alle «demokratischen» Parteien dazu aufruft, ohne die AfD zu regieren. Noch undemokratischer und unsäglicher ist, dass er erklärt:
«Die AfD schadet Deutschland. Sie schwächt die Wirtschaft, spaltet die Gesellschaft und ruiniert den Ruf unseres Landes.»
Sicher lässt sich das psychologisch erklären, denn es klingt, als spräche der Kanzler von der Politik, für die er und die Ampel aus SPD, Grünen und FDP stehen. Doch wenn selbsternannte Demokraten so auf demokratische Wahlergebnisse und die Folgen ihrer eigenen Politik reagieren, läuft etwas ganz gehörig schief – dann sollten sie einfach abtreten, denn sie haben genug Schaden angerichtet.
Dabei hat sich nur das Farbspektrum der politischen Landschaft in Deutschland weiter verschoben und verändert. Grundsätzliche Veränderungen sind auch nach dem Wahlsonntag in Thüringen und Sachsen nicht in Sicht.
Die Wahlergebnisse zeigen, dass die Mehrheit der Wähler keine tatsächliche Veränderung will: Sie haben mit CDU und AfD zwei klar konservative Parteien gewissermaßen zur (potenziell gemeinsamen) Mehrheit in den Parlamenten verholfen. Aber das ist typisch deutsch:
«Die pragmatischen Deutschen als wählerische Wähler sind – abweichend von vielen anderen europäischen Ländern – deutlich sicherheitsorientierter und abwägend stabilitätsorientierter.»
Das hatte der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte in seinem unlängst erschienenen Buch «Wählermärkte – Wahlverhalten und Regierungspolitik in der Berliner Republik» geschrieben. Die Frage ist, ob die beiden Parteien CDU und AfD aus gewissermaßen gleichem Fleisch und Blut, aus dem gleichen Schoß, trotz vermeintlicher «Brandmauern» zusammenfinden und gemeinsam regieren – womit ich eines Tages rechne.
Keine Veränderung gewünscht
Das würde und wird geschehen, damit sich nicht tatsächlich etwas verändert in Deutschland. Viele halten der AfD zugute – neben den Positionen zur Migrationspolitik –, dass sie sich größtenteils kritisch gegenüber der Corona-Politik verhalten hat, auch der Klima-Hysterie widerspricht und sich einige ihrer Vertreter für eine vernünftige Politik gegenüber Russland einsetzen.
Aber auch in diesen Punkten zeigt sich diese Partei gewissermaßen als konservativ – anders als die CDU. Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen konservative Positionen. Diese sind immer wieder auch vernünftig, denn nicht jede Veränderung ist per se gut.
Aber an den gesellschaftlichen und politischen Grundlagen für Sozialabbau, Corona-Hysterie, Klima-Panik und Kriegshetze ändert diese Partei nichts, da sie aus demselben gesellschaftlichen Lager kommt wie jene, die diese Dinge bereits befördern. «Es handelt sich um alten Wein in neuen Schläuchen», wie der Politikwissenschaftler Erhard Crome bereits 2015 in seinem Buch «AfD. Eine Alternative?» feststellte.
Ich stimme Crome bis heute zu, der in einem Interview mit mir 2017 sagte, die AfD-Inhalte seien «nichts anderes als das, was die CDU der alten Bundesrepublik in der Vergangenheit gewesen ist». Deshalb sei diese Partei «Fleisch vom Fleische des deutschen Bürgertums und seiner politischen Vertretung».
Und bis heute sehe ich diese Partei so, wie ich es vor sieben Jahren beschrieben habe:
«Die AfD ist eine Antwort auf die Krise der etablierten Politik und der von dieser verursachten gesellschaftlichen Lage. Aber diese Antwort kommt ausgerechnet aus jenen Kreisen, die verantwortlich für die gesellschaftlichen Zustände sind.»
Sie ist nicht weniger eine Partei des Kapitals wie die anderen «System-Parteien», die sie zu bekämpfen vorgibt. Sie wird gebraucht und ist nützlich mit ihrem Anschein, «gegen das System» zu sein: Es geht darum, das Potenzial an Protest und Widerstand, das infolge gesellschaftlicher Probleme und Krisen vorhanden ist, aufzufangen und umzulenken.
Demagogie für den Systemerhalt
Das Widerspruchs- und Widerstandspotenzial muss in Bahnen gebracht werden, die das bisherige System von Macht- und Eigentumsverhältnissen nicht in Gefahr bringen. Schon in den 1960er Jahren gab es solche Ideen, den Geist der Revolte aufzunehmen und umzulenken, weg von linken Gedanken, von Vorstellungen, die das herrschende System ernsthaft in Frage stellten.
Das «Empörungsmanagement» ist längst Teil politischer Strategien, um Unmut und potenziellen Widerstand in Gesellschaften für politische Ziele zu nutzen und auch zu steuern. Neben recht einfachen Techniken, zu denen das Besetzen von Begriffen wie eben der «Alternative» gehört, werden längst subtile psychologische Mechanismen von Entscheidungs- und Meinungsbildung für eine effektive Meinungssteuerung eingesetzt.
Auf diese Weise ist es der AfD gelungen, sich nicht nur als Partei der bürgerlichen Mitte, sondern auch als «Partei des kleinen Mannes» zu präsentieren. Und dieser kauft ihr das ab, ohne genau hinzuschauen. Er sieht somit nicht, dass diese Partei eine genauso neoliberale und asoziale Politik vertritt und umsetzen will wie jene «Vertreter des Systems», gegen die sie angeblich ist.
Das kann in den AfD-Papieren schwarz auf weiß nachgelesen werden, es kann auch nachgeschaut und -gehört werden. Auch die Herkunft vieler führender AfD-Köpfe zeigt dies.
Und vielen Menschen ist das klar und sie sehen ihr Ja zur AfD als Nein zur etablierten Politik: Der Taxifahrer, der mich am Sonntagabend im thüringischen Gotha zum Bahnhof fuhr, erzählte freimütig, er habe AfD gewählt. Zugleich sagte er, wenn diese Partei mitregiere, werde sie auch nicht viel bewirken und verändern.
Wahlergebnisse wie die vom Sonntag haben auch etwas mit dem Wunsch nach ganz einfachen Antworten zu tun – und auch das nutzt jenen, die die Wut gegen ihre Politik und ihre Herrschaft umlenken wollen, damit sie sich nicht gegen sie selbst wendet.
Der relativ hohe Stimmenanteil für die CDU (in Thüringen etwa ein Viertel, in Sachsen etwa ein Drittel) hat sicher etwas mit der stabilitätsorientierten bürgerlichen Mitte zu tun. Damit ist zwar eine Partei Mitgewinner der Wahl, die zu den Verantwortlichen für die Lage des Landes gehört, aber das passt ins Bild.
Wenig Anlass für Hoffnung
Das BSW hat zum Teil den Platz eingenommen, den die Linkspartei aus eigenen Stücken freigeräumt hat und wofür sie nun die Quittung bekommen hat. Die BSW-Ergebnisse passen auch wieder ins Bild von den stabilitätsorientierten Wählern.
Diese Partei verspricht immerhin «Vernunft und Gerechtigkeit» – aber der Slogan «Veränderung beginnt mit Opposition» stammt nicht von ihr, sondern von der einstigen PDS mit dem damaligen Mitglied Sahra Wagenknecht. Die heutige Linkspartei ist bei der Wahl untergegangen, weil sie eigene frühere Erkenntnisse missachtet hat.
Sie hat wie die SPD viel zum Wachstum der AfD beigetragen: Beide Parteien haben schon lange das Feld des Protestes und des Widerstandes gegen eine unsoziale Politik verlassen und anderen überlassen.
Parteien wie die SPD und Die Linke müssten nun endlich Konsequenzen ziehen und wieder Protestparteien werden – gegen die Dominanz einer Politik, die allein den Wirtschafts- und Konzerninteressen dient, egal ob sie von der Union, der FDP oder der AfD und selbst von den Grünen betrieben wird. Gebraucht wird Protest, der wirklich verändert und eine andere Politik bewirkt, die tatsächlich alle Interessen in dieser Gesellschaft beachtet.
Mag sein, dass das eine Illusion bleibt. Die Ergebnisse vom Sonntag in Thüringen und Sachsen geben wenig Anlass zur Hoffnung.
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