Schottland ist auf den Zug der digitalen Kontrolle aufgesprungen. Nach Angaben des Medienportals Truth Talk hat die schottische Regierung Anfang dieser Woche angekündigt, 2023 ein entsprechendes Pilotprojekt zu realisieren, gemeinsam mit der Sicherheitsagentur Disclosure Scotland. Das Projet soll dazu dienen, die regierungseigene Plattform zu testen. Während des Pilotprojekts sollen die Nutzer mit denselben Zugangsdaten mehrere Dienste von Disclosure Scotland nutzen können.
Auf der Website heisst es dazu:
«Disclosure Scotland hilft Arbeitgebern, bei der Einstellung von Mitarbeitern sicherere Entscheidungen zu treffen. Es stellt auch sicher, dass ungeeignete Personen nicht mit gefährdeten Gruppen, einschliesslich Kindern, arbeiten.»
Laut Truth Talk geht es also darum, Nutzer zu überprüfen und Dienste zu verweigern, wenn sie nicht den Regeln der Regierung entsprechen. Genau wie in der Covid-Ära: Ohne «Impfung» wird man ausgeschlossen. Gemäss dem Medienportal planen die Engländer und Waliser ebenfalls, ihre eigenen Plattformen zu betreiben, aber voraussichtlich wird Schottland die «Digital-ID»-Plattform als erstes Land etablieren.
Schliesslich sollen die digitalen Ausweise auch für andere Dienste im Land eingeführt werden, etwa für die schottische Sozialversicherung und das Gesundheitswesen. In Krankenhäusern und Arztpraxen könnte die Verwendung digitaler IDs laut Truth Talk zu Verwirrung und mehr Arbeit für das Personal führen, und Menschen könnten abgewiesen werden, wenn sie keine ID haben. Die Kosten für den digitalen Identitätsdienst der schottischen Regierung belaufen sich auf bis zu 83,5 Millionen Pfund (rund 96 Millionen Euro).
Schottlands Regierung arbeite seit fünf Jahren an einer digitalen Identitätsplattform, schreibt Truth Talk. Eine kurze Alpha-Phase des Online-Identitätssicherungsprogramms der Regierung sei 2018 gestartet worden. Scott Logic habe 2021 den Zuschlag erhalten und im April diesen Jahres die Arbeit aufgenommen. Das erste Pilotprojekt soll 2023 an den Start gehen.
Grafik: Weltwirtschaftsforum (WEF)
Scott Logic:
«Unsere Vision ist es, einen digitalen Identitätsdienst für Nutzer einzuführen, der einen sicheren und einfachen Weg bietet, um online nachzuweisen, dass man Anspruch auf einen öffentlichen Dienst oder eine Leistung hat.»
Es gebe auch eine Partnerschaft zwischen dem schottischen Team des digitalen Identitätsdienstes und Experian, einem Unternehmen für Kreditwürdigkeitsprüfungen. Dieser Teil des Dienstes werde durch einen Zweijahresvertrag unterstützt. So werde geprüft, ob es Beweise dafür gibt, dass der Nutzer in der realen Welt existiert. Er erkenne potenziell betrügerische Aktivitäten, überprüfe die Gültigkeit von Dokumenten und gleiche das Foto eines Nutzers mit einem offiziellen Dokument ab.
Derzeit werden zur Überprüfung der Identität Fotoausweise wie Führerscheine und Reisepässe verwendet, aber die Regierung plant, auch biometrische EU-Aufenthaltsgenehmigungen einzuführen. Ausserdem soll das Programm auf wissensbasierte Überprüfungen wie beispielsweise Regierungsdaten ausgeweitet werden. Das digitale Identitätssystem wird auch mit einer digitalen Brieftasche oder einem digitalen Schliessfach verbunden sein. Diese Attribute werden gespeichert, damit die Nutzer sie für andere Dienste nutzen können, die nicht Teil des Pilotprojekts sind, aber in Zukunft verfügbar sein werden.
Gavin Ross, der in der schottischen Regierung für das Thema digitale Identität zuständig und Leiter des Projekts ist, sagt gegenüber Truth Talk:
«Es gibt ständig neue Leistungen und neue Produkte, die von Social Security Scotland eingeführt werden, und wir diskutieren auch mit unseren Kollegen aus dem Gesundheitswesen, wie wir ihre Dienste unterstützen können. Wir schauen uns ausserhalb von Schottland um, wie wir Menschen aus dem Ausland unterstützen können. Wir beobachten ausserdem sehr genau, was mit dem EU-System passiert. Und wir sind wirklich an der Möglichkeit interessiert, den Menschen die Option zu geben, verifizierte Identitätsinformationen zwischen Plattformen zu teilen.»
Die schottische Regierung arbeite auch eng mit ihren Kollegen in der britischen Regierung an dem Projekt One Login zusammen. Truth Talk verweist darauf, dass die digitale Identität für die Überwachung verwendet werde. Digitale Identitätssysteme wie dasjenige in Schottland werden vom Weltwirtschaftsforum gefördert (wir berichteten hier und hier). Ein Erstentwurf mit dem Titel «Advancing Digital Agencies: The Power of Data Intermediaries» wurde im Februar veröffentlicht.
Im Abschnitt über Regierungsvermittler heisst es: «Eine öffentliche Einrichtung oder Regierungsbehörde könnte die Rolle eines Vermittlers übernehmen, insbesondere wenn es um Daten geht, die von öffentlichen Einrichtungen stammen. Daher kann sie auch als Aggregator (Dienstleister, der Medieninhalte sammelt) oder Gateway (Schleuse) für solche Informationen fungieren.
Ein solcher Vermittler könnte eine noch umfassendere Rolle dabei spielen, die Daten leichter zugänglich, identifizierbar, durchsuchbar und nutzbar zu machen, einschliesslich der Koordinierung interoperabler Systeme, zumindest innerhalb des öffentlichen Sektors.»
Aus dem WEF-Dokument geht hervor:
«Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat kürzlich einen Bericht über Datenvermittler in Auftrag gegeben. Darin wurde festgestellt, dass sie sowohl Menschen als auch Unternehmen bei der gemeinsamen Nutzung von Daten unterstützen können. Wenn Regierungen versuchen, die gemeinsame Nutzung von Daten zu regulieren, werden flexible, innovative und positive Lösungen benötigt.»
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