Interne Dokumente von Twitter, die am Dienstag veröffentlicht worden sind, zeigen: Die US-Geheimdienste begannen ab 2017 massiv Druck auf Twitter auszuüben. Im Zentrum stand dabei die konstruierte «Russiagate»-Geschichte.
Diese wurde im Sommer 2017 durch einflussreiche Politiker der demokratischen Partei im US-Kongress, eine britische Universität und Medien wie Politico und BuzzFeed prominent verbreitet – und dadurch geriet auch Twitter innert kürzester Zeit ins Visier der US-Behörden, wie Matt Taibbi in seinen jüngsten Veröffentlichungen der Twitter-Files ausführlich beschreibt. Taibbi weiter:
«Zuerst kamen Drohungen aus dem Kongress, dann folgte eine Flut schlechter Schlagzeilen (inspiriert durch undichte Stellen in Kongressausschüssen) und schliesslich eine Reihe von Moderationsaufforderungen von aussen.»
All dies sei innerhalb von nur sechs Wochen – zwischen August und Oktober 2017 – geschehen. Stand Twitter zuvor nicht auf dem Radar der US-Geheimdienste, so sah sich der Tech-Konzern ab Ende 2017 dazu veranlasst, unliebsame und insbesondere Russland- und Trump-freundliche Inhalte zu prüfen und zu zensieren. Dies zeigt Taibbi anhand von internen Dokumenten, Tweets und E-Mails auf, die der Journalist von Elon Musk, dem neuen Twitter-Eigentümer, erhalten hat.
Doch zurück ins Jahr 2017: Die Demokraten hatten Russland damals beschuldigt, Donald Trump beim Sieg der Präsidentschaftswahl 2016 gegen Hillary Clinton geholfen zu haben.
Ihre Behauptung lautete: Trump habe Verbindungen zu Moskau; eine Behauptung, die sich auf ein Dossier von Christopher Steele stützte – einem ehemaligen britischen Geheimdienstmitarbeiter.
Auch der Enthüllungsplattform Wikileaks, die die Democratic National Committee (DNC)-Dokumente und persönliche E-Mails von der Clinton-Kampagne veröffentlicht hatte, wurde vorgeworfen, im Auftrag Russlands zu handeln. Bezichtigt wurden zudem russische Bots und Trolle, mit «Fehlinformationen» über die Sozialen Medien die Wahl manipuliert zu haben. Facebook löschte im August 2017 Konten, die unter Verdacht gestanden hatten, «mit Russland verbunden» zu sein.
Bei Twitter dachte man zunächst, nicht auch gründlich ins Visier der Behörden zu geraten. Der Tech-Konzern übermittelte im September 2017 dem Senat eine Liste von 22 «möglichen» Konten von Russen, die inzwischen suspendiert worden waren.
Politischer Druck auf Twitter steigt
Doch das genügte Senator Mark Warner, dem ranghöchsten Demokraten, noch lange nicht. Warner hielt daraufhin sofort eine Pressekonferenz ab und kritisierte Twitter scharf. Er nannte die Liste «inadäquat» und hielt den Druck weiter aufrecht.
Ende September warnte Colin Crowell, Twitters Vizepräsident für Öffentlichkeitspolitik, dass «Warner einen politischen Anreiz hat, dieses Thema an der Spitze der Nachrichten zu halten, um den Druck auf uns und den Rest der Branche aufrechtzuerhalten, damit wir weiterhin Material für sie produzieren».
Crowell bemerkte zudem, dass die Demokraten «sich an Hillary Clinton orientieren». In einer vertraulichen E-Mail an hohe Twitter-Kader machte er darauf aufmerksam, dass Warner und sein Kollege im Repräsentantenhaus, der Kongressabgeordnete Adam Schiff, Stellungnahmen von Twitter und weiteren Tech-Konzernen einfordern würden.
In der Zwischenzeit strömten, wie Taibbi schreibt, «eine Flut von Geschichten aus dem Ausschuss in die Nachrichten». Und mehrere Senatoren – darunter Warner, aber auch der inzwischen verstorbene Anti-Trump-Republikaner John McCain aus Arizona – machten sich für Gesetzesentwürfe stark, um hart gegen Soziale Medien vorzugehen.
Twitter setzte am 2. Oktober 2017 eine eigene «Russland-Taskforce» ein. Doch der Tech-Konzern fand bis zum 13. Oktober «keine Beweise für ein koordiniertes Vorgehen». Im Abschlussbericht vom 23. Oktober kam Twitter zum Schluss, dass es 32 verdächtige Konten gegeben habe.
Davon wurden 17 mit Russland in Verbindung gebracht. Von diesen gaben zwei nur annähernd 10’000 Dollar für Werbung aus – bei einem der Konten handelte es sich um dasjenige des russischen Senders RT.
Carlos Monje, der damalige Twitter-Direktor für Politik, gab damals in einem Memo vom 18. Oktober zu: «Unsere Anzeigenpolitik und Produktänderungen sind ein Versuch, der Aufsicht des Kongresses zuvorzukommen». Bestandteil dieser Änderungen war, dass RT und Sputnik ab dem 26. Oktober verboten wurde, Werbung zu machen.
In einer internen E-Mail vom 22. November beschuldigte Twitter zudem den Geheimdienstausschuss des Senats, den internen Bericht von Twitter an die Medien weitergegeben zu haben.
Auch Medien machen Stimmung gegen Twitter
Nun geriet Twitter medial in die Kritik. Das Medienportal Politico warf Twitter vor, Dateien zu löschen. Und BuzzFeed wiederum sah in einem deutschsprachigen Bot-Netzwerk, das über Twitter operiert haben soll, «Anzeichen für Verbindungen zu Russland».
Danach forderte der Ausschuss sofort einen Bericht von Twitter über die Geschichte, den der Tech-Konzern pflichtbewusst verfasste. Taibbi resümiert:
«Man kann sehen, wie die russische Cyber-Bedrohung im Wesentlichen heraufbeschworen wurde, wobei politischer und medialer Druck als Motor diente, der etwas, das Twitter für unbedeutend und unkoordiniert hielt, zu massiven Ausmassen aufblies.»
Am Ende war man soweit gekommen, dass Twitter begann, alles zu verbieten, «was von den US-Geheimdiensten als staatlich geförderte Einheit identifiziert wurde, die Cyberoperationen durchführt», wie es in den Twitter-Files heisst. Dies war der erste Schritt in einem Prozess, der schliesslich dazu führte, dass das FBI und das Weisse Haus Twitter künftig genau sagten, wer und was zu zensieren sei.
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