Die «Twitter-Files» werden in den USA gegenwärtig kontrovers diskutiert. Journalist Matt Taibbi veröffentlichte jüngst Dokumente des Tech-Konzerns, die aufzeigen, dass Twitter im Wahlkampf 2020 kritische Informationen über Joe Biden unterdrückt hatte.
Die Unterlagen hat Elon Musk, der neue Eigentümer von Twitter, Taibbi zugesteckt. Sie zeigen unter anderem, dass der Enthüllungsartikel der US-Zeitung New York Post kurz vor den Wahlen 2020 über Joe Bidens (80) Sohn Hunter (52) auf der Plattform zensiert wurde.
Links zum Artikel wurden von Twitter mit Warnungen versehen; Twitter-Nutzer konnten entsprechende Artikel zum Thema nicht posten, teilen oder verschicken. Ein Vorgehen, das «bisher Extremfällen vorbehalten war wie Kinderpornografie», schreibt Matt Taibbi.
Zur Erinnerung: Hunter Biden hatte 2019 einen Laptop zur Reparatur in einem Computer-Geschäft abgegeben; wieder abgeholt hatte er ihn aber nie. Schliesslich übergab der Laden-Inhaber brisante Dateien des Laptops dem FBI. Später wurden sie zudem der New York Post zugespielt. Wenige Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl 2020 erschien – basierend auf diesen Dateien – ein Enthüllungsbericht.
Im Fokus standen Hunter Bidens Geschäftsbeziehungen ins Ausland und E-Mails mit einem Geschäftspartner, den er seinem Vater vorgestellt hatte. Videos sollen ihn ausserdem nackt in der Badewanne beim Drogenkonsum zeigen.
2014 und 2015 soll Bidens Sohn die Position seines Vaters zugunsten des ukrainischen Energieunternehmens Burisma ausgenutzt haben. Hunter Biden sass zu dieser Zeit im Verwaltungsrat des Energieunternehmens, das ihm monatlich 50’000 Dollar zahlte, währenddem sein Vater Joe Biden US-Vizepräsident war.
Taibbi zufolge wurden die Berichte zensiert, weil die Twitter-Verantwortlichen überwiegend die Demokraten unterstützten. Der damalige Chef von Twitter, Jack Dorsey, selbst wiederum habe nichts von den Massnahmen gewusst und sie später rückgängig gemacht. Dorsey entschuldigte sich zudem. Gleichzeitig bestritt er, dass die Massnahmen mit parteipolitischen Interessen zu tun hatten.
Der Twitter-Account von Trumps ehemaliger Sprecherin Kayleigh McEany wurde damals gesperrt, nur weil sie über den Biden-Artikel gesprochen hatte. Daraufhin beschwerte sich Trumps Wahlkampfmanager bei Twitter.
Wie die von Taibbi veröffentlichten Mails zeigen, sorgte dies innerhalb der Twitter-Chefetage für Aufruhr. Denn schnell wurde klar: Wirkliche Gründe für die Sperrung des Artikels gab es nicht.
Dennoch versuchte man, sich herauszureden. Unter anderem wurde argumentiert, es gäbe eine Warnung des FBI. Der Artikel würde demnach gegen geltendes Recht verstossen. Eine solche Warnung konnte Taibbi nicht finden – offenbar gab es sie nie. Trotzdem behielt Twitter die Zensur zunächst bei.
Dass Twitter und auch weitere Tech-Giganten damals kritische Informationen zu Biden unterdrückt haben, ist nicht neu. Lange hiess es, dass hinter den Biden-Anschuldigungen russische Stellen stünden. Die grossen Medien sprachen 2020 von «Desinformationen» oder schwiegen die Sache tot.
Doch im Frühjahr 2022 musste selbst die New York Times eingestehen, dass es sich nicht um Fake News gehandelt hatte. (Ich selbst schrieb 2020 für Infosperber einen Artikel darüber. Ausser der Weltwoche hatte aber keine grosse Zeitung in der Schweiz das Thema aufgegriffen.)
Interessant ist, wie grosse Medien nun die Story kleinreden. Der Tages-Anzeiger spricht nach wie vor von «Verschwörungstheorien», die 2020 geschürt worden seien, «wonach die Medien in Absprache mit den US-Demokraten unliebsame Themen unterdrücken würden, um die Wahlen zu manipulieren».
Von einer wirklichen Zensur könne keine Rede sein. Schliesslich wurde die Blockade des erwähnten Biden-Artikels nach kurzer Zeit wieder aufgehoben. Und sowieso: Es gebe zudem keine Hinweise, dass Bidens Team oder das FBI hinter der Blockade stecken könnten.
«Es handelt sich damit eben gerade nicht um einen Fall von behördlicher Zensur, sondern um eine problematische Entscheidung eines für die USA problematisch grossen Medienunternehmens», so der Tages-Anzeiger.
Diese Sicht ist zumindest naiv. Zwar ist nicht klar, ob das FBI im Zusammenhang mit dem erwähnten New York Post-Artikel 2020 direkt bei Twitter interveniert und dies den Tech-Giganten zur kurzfristigen Zensur bewegt hatte.
Klar ist hingegen: Das FBI stand vor den Wahlen 2020 in regem Kontakt mit Vertretern der Big-Tech-Unternehmen. Ein FBI-Mitarbeiter bestätigte jüngst unter Eid, dass es vor den Wahlen «wöchentlche Sitzungen» mit Vertretern von Tech-Firmen gegeben habe. Zudem habe die Behörde «Listen von URLs und Konten» gesendet, die sie unter dem Vorwand löschen sollten, «ausländische Einflussoperationen» zu bekämpfen.
Auch ist bekannt, dass der FBI-Spezialagent Timothy Thibault Einfluss nahm auf Tech-Giganten, um die vertraulichen E-Mails von Joe Bidens Sohn Hunter Biden unterdrücken zu lassen. Dies zumindest haben jüngst FBI-Mitarbeiter unter Eid preisgegeben.
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